Gnadenkapelle Altötting, 1780

Das Erscheinungsbild der Heiligen Kapelle ist geprägt vom Oktogon, einem achteckigen Bau mit Spitzhaube. Schriftlich bekundet wurde der Bau erstmals 877. Dem Oktogon ist nach dem Einsetzen der Wallfahrt im Jahre 1489 westlich ein Langhaus mit Kirchturm angebaut worden. Die Kapelle gilt als eines der wichtigsten und meistbesuchten Wallfahrtsziele in Europa. Das Kirchenschiff und das Oktogon wurden um 1780 neu mit geschmiedeten Kupferblechen mit einer Spiegeldeckung eingedeckt. Die Blechkassetten wurden mit doppelt gefalzten Liegefalze als Querfalze und doppelt gefalzten Stehfalze als Längsfalze miteinander verbunden.

Im Jahr 2020 kam es zu einem Sturmschaden an der historischen Blecheindeckung der Gnadenkapelle. Hiervon betroffen war die Südseite des Langhauses sowie die Eindeckung des gesamten Oktogons. Es lagen sämtliche Bleche lose auf der hölzernen Schalung. Die Haften (in die Falze eingefalzten Blechlaschen), die mit geschmiedeten Nägeln befestigt waren, lösten sich infolge des Windsogs. Zur Notsicherung der kupfernen Tafeldeckung wurde ein Dachdeckerbetrieb beauftragt. Hierbei wurde die gesamte Blecheindeckung in die darunterliegende hölzerne Schalung angeschraubt. Bleche aus geschmiedetem Kupfer verlieren über die Jahrzehnte und Jahrhunderte ihre Duktilität, ihre Verformbarkeit. Die Falze schadenfrei in der gesamten Länge zu öffnen, um von außen her Haften zu setzen, ist praktisch nicht möglich. Wir wurden beauftragt, ein Restaurierungskonzept zu erstellen. Die Schrauben der Notsicherungsmaßnahme wurden entfernt. Das Restaurierungskonzept sah nun vor, die Holzschalung im Bereich der Haften, vom Dachinnenraum aus jeweils zwischen den Sparren herauszuschneiden. Im Bereich der Holzschalung, in denen sich keine Haften befinden, wurden die Bretter nicht herausgeschnitten, damit eine Queraussteifung der Konstruktion erhalten bleibt. Die mit der Blecheindeckung verfalzten Haften wurden mit Blechstreifen verlängert. Diese Verbindung wurde im Nietverfahren ausgeführt. Für die Befestigung der Dachfläche ist es wichtig, den Verband von Haften in den Längs- und Querfalzen herzustellen. Die Position der Befestigungen wurde exakt an den zuvor ausgebauten Schalungsbrettern angezeichnet. Es wurden nun mit dem Multimaster Schlitze durch die Schalung hergestellt. Danach wurden die Haften durch das Brett gesteckt, das Brett wieder dicht an die Blecheindeckung angelegt. Fixiert wurde die Schalung an der Spante mit 4-kant-Holzleisten aus Lärchenholz, die mit Schrauben in der Schalung und im Sparren befestigt wurden. Anschließend wurden die Haftstreifen umgebogen und mit Schrauben an der Rückseite der Schalung befestigt. Auf diese Art und Weise wurde wieder ein Verband von 1100 Haften in den Längs- und Querfalzen hergestellt. Es wurden 400m Holzleisten entlang der Spanten eingebaut. Anschließend wurden die Löcher, entstanden durch die Notsicherung, im Weichlötverfahren geschlossen.