Einführung zur Vernissage von Heiko Herrmann am 6.5. um 16 Uhr im Schauraum Huber
Wir möchten alle, die heute in diesen wunderbaren Bau des Flaschnermeisters Wolfgang Huber gekommen sind, aufs Herzlichste begrüßen. Leider musste Heiko Herrmann kurzfristig für den heutigen Tag krankheitsbedingt absagen. Das ist natürlich sehr schade, wenn die Hauptperson nicht unter uns weilen kann. Wir wünschen ihm alles Gute und hoffen, dass wir ihn würdig in seinem Sinne vertreten. Und lieber Wolfgang, großes Lob an dich. Einmal im Jahr lässt du uns an deiner Leidenschaft für Kunst und Ästhetik teilhaben. Vielen Dank auch an Michael für die tolle musikalische Untermalung des Eingangs gezeigten Films aus dem Jahre 1981 über die Entstehung des Bildes „Bilder wachsen“. Heiko Herrmann nimmt uns mit auf eine Schaffensreise, wir sehen Aktionen, Übergänge, Tiefen, Pausen, scheinbare Wiederholungen, aber auch das normale Leben, Statisten, Autos. Dinge, die wie die Kunst zum Leben gehören und in Heiko Herrmanns Bilder stets ihren festen Platz finden. Und zu irgendeinem Zeitpunkt scheint das Bild fertiggestellt und der Maler schließt alsbald die Tür und die Schweine quittieren dies mit zufriedener Schnüffelei. Lassen wir aber nun zu Beginn den Maler selbst sprechen: Meine Intention war von Anfang an, zu malen und zu leben. Warum ich immer noch weitermale ist, weil ich in der Malerei einen Zustand erfahre, in dem nur noch der Augenblick gilt. Mit Augenblick meine ich, dass es keine Vergangenheit oder Zukunft mehr gibt. Gewöhnlich ist man mit dem Einen oder Anderen beschäftigt und ist nie da, wo man eigentlich ist. Das gibt ein ozeanisches Glücksgefühl. Nur die Leinwand, der Pinsel und die Farben, das ist wie ein Fluss, der aus mir sprudelt. Den optimalen Zustand erreicht man, bevor man zu arbeiten beginnt, wenn man absolut ruhig ist und sein Handwerk organisiert anfängt. Die einzige Stimulanz die ich benutze ist, dass ich stundenlang das Essen knapphalte, weil dadurch Energien frei werden im Kopf, die zum Rauschhaften hinführen. Die beste Stimulanz ist die Farbe selbst, eine weiße Leinwand und genügend schöne Farbtöpfe, das animiert mich. Ich überlasse es dem Betrachter, was er in meinen Bildern und Skulpturen sieht. Die Titel der einzelnen Objekte sind nicht als Erklärung des Inhalts gedacht, sondern es sind Gedankenfetzen, die mich beschäftigen, die weder zu den Bildern hin- noch von ihnen wegführen. Aber es sind keine Kochrezepte, die einem in die Hand gedrückt werden. Sie schließen im Idealfall den Schaffensprozess sauber ab. Mein Lebensprinzip ist, dass man auf alles, was um einen herum ist, reagiert. Ich mache Kunst, die etwas abstrahlt, das der Betrachter aufnehmen kann. Am Ende muss das Bild so aussehen, als ob es hingeworfen ist und im Gegensatz zur psychotischen Kunst nichts Gequältes hat. Schönheit entsteht durch Leichtigkeit. Der Zugang zur Kunst läuft nur über Sympathie oder Antipathie. Es hat keinen Sinn sich für irgendeine Form von Kunst zu interessieren, weil man sie für interessant hält, sondern es läuft nur über den persönlichen Einstieg und den überlasse ich ganz dem Betrachter. Nachdem ich ein Bild signiert habe, beginnt die eigentliche Arbeit oder auch Freude des Betrachters, sich mit meinem Bild auseinanderzusetzen, mit ihm zu leben. Vierzig Jahre alt sind diese Gedanken aus diversen Gesprächen und sie büßen bis heute nichts an Klarheit und Substanz ein. „Das Ziel ist im Weg“. Dieser Titel der unten vor dem Eingang ausgestellten Skulptur, die zum heutigen Schauspiel weist. Sie ist die Außenstabilisatorin im positiven Sinne schlechthin. Bewegung, Stillstand, Erwartung, Akzeptanz, Chaos. Sie zeigt, wie eine Menge aktive Unruhe stimuliert und zugleich Beruhigung schafft. Der Titel ist Programm. Es ist alles in Ordnung. Hat man die Stufen nach oben erklommen, und tritt ein in den langen, schlanken flurförmigen Schlauch, so werden uns die ersten Bilder gewahr. Und ich bewege mich vorwärts, zwischen den Welten, ich gleite kopfüber in die Welt, ich will sie mir einverleiben, nicht nur einmal, diese Welt, diese kopflose Welt. Ich jongliere mit den Planeten und nur einen Schritt weiter, hänge ich nun vor ihnen, neben ihnen, an dieser hellen Wand mit meinen Brüdern und Schwestern, die mich seit Jahrzehnten auf meinen Reisen in die Galerien und Museen begleiten. Ich selbst bin das Schlanke ganz links hinten, die Nummer 21, das Chateau Rouge, ich lade nur die neugierigen Gäste in meine illustren Räume ein. Sie alle hier haben heute das Glück, zu dieser auserwählten Schar zählen zu dürfen. Es ist so voll hier, voll mit Menschen, wer hat die denn alle reingelassen? Uns sieht doch hier fast keiner, ich dachte, das sei der Sinn der Sache.
Zumindest hängt ihr schön brav mit etwas Abstand, da hat der Wolfgang schon darauf geachtet, dass die Streithansel nicht direkte Nachbarn sind. Aber macht bitte nicht ständig Unsinn mit eurer ansteckenden Lebendigkeit und euren knalligen Farben. Die Leute sind eher ruhiges, stilles Zeugs gewöhnt. Und sie wollen ja nicht unnötig unterhalten werden. Damals, er war noch so jung, als er dich gemalt hat Bei mir, da stand er mitten im Leben, da ist so vieles feiner, klarer, präziser, ich will nicht behaupten, schöner, sinnlicher Du, du warst doch noch nie richtig lebendig, du bist die reine Routine, einfach Geldverdienen, bei mir, das ist purer Idealismus, die spontane Eingebung, ein Leben ohne Zeit. Hört ihr beide bitte auf rumzustreiten, es sind Leute hier, wir haben Besuch. Ich glaube, was Versöhnliches täte uns allen gut. Haben wir heute etwas dabei? Den Doppelten da hinten. Ein echter Schöngeist. Hat alles im Griff. Und jeder von euch hier drin konnte ja in dem Film sehen, wie eure Schwester entstanden ist. Richtig Zeit gelassen hat sie sich dabei. Und fast den ganzen Film durch schön in der Frontalen. Zur Strafe hängt sie nun drüben im Kabinett, diese eitle Bühnendiva. Manchmal weiß man ja nicht mehr, wer spricht? Bin ich es, sind es die Bilder oder spricht ein ganz anderer? Zum Glück kam der Heiko vor einiger Zeit zum Bauen, und seitdem gehen diese braunen Figuren mit uns sogar auf Tour. Von City zu City. Schön auf diesen weißen Sockeln drapiert, klug verteilt im Raum. Echte Erzieher sind das. Die wissen ganz genau, was sie zu tun haben. Schau, der Wadlbeißer, ein äußerst zäher Zeitgenosse und erst der Widerborstige, ein arger Grantler soll das sein. Naja, wir sind eben auch viele mittlerweile und dieses ständige Hin und Her der bunten Töne, im Alter braucht man es ein wenig ruhiger, das passt dann schon, dass sie ein wachsames Auge auf uns haben. Wir reden alle durcheinander hier, jetzt lass doch mal den Heiko selbst zu Wort kommen. Was soll ich denn sagen? Ihr kennt mich doch am besten. Du hast uns so schöne Namen gegeben. Willst du uns nicht deinen Gästen vorstellen? Liebe „An der Kreuzung von 2 Sonnen und 5 Wegen“, das werden sie gerne selbst übernehmen und mit euch ins Gespräch kommen. Bist du dir da sicher, reden sie nicht lieber untereinander? Keine Sorge, „Foxy Lady“, unser Publikum wurde persönlich ausgewählt, ist kunstinteressiert und dem Schönen aufgeschlossen. Sie werden euch gebührend bestaunen.
Und ich würde jetzt sagen, das Ausstellungsbuffet ist hiermit eröffnet.
Markus Salger
„Ein Leutkirch-Kißlegger Kunstduett“ – Doppelausstellung mit Werken von Heiko Herrmann
Veröffentlicht: 11. Mai 2023 im Blix Kulturmagazin
Leutkirch / Kißlegg – Am letzten Wochenende wurde es mit zwei Vernissagen eröffnet, das „Leutkirch-Kißlegger Kunstduett“, wie Karl-Anton Maucher das Projekt in seiner Begrüßung in Leutkirch nannte: Die Doppelausstellung „Außenweltstabilisatoren“ mit Malerei und Skulptur von Heiko Herrmann aus über 40 Jahren, für die auch zahlreiche attraktive Leihgaben aus verschiedenen Privatsammlungen ausgeliehen wurden, überzeugt an beiden Orten.
Den Besucher erwarten gegensätzliche Ausstellungserlebnisse
Der eigentliche Clou dieses „Kunstduetts“ ist, dass zwar beide Präsentationen Werke aus den gleichen Werkgruppen zeigen – Gemälde, Arbeiten auf Papier, Keramiken und nicht zuletzt Eisengüsse –, dass den Besucher aber trotzdem zwei völlig gegensätzliche Ausstellungserlebnisse erwarten. Es lohnt sich also, sowohl nach Leutkirch als auch nach Kißlegg zu fahren. Dazu besteht die Gelegenheit bis zum 9. Juli, wenn die Präsentation in Wolfgang Hubers Schauraum und Kabinett in Kißlegg zu Ende geht. Die Ausstellung im Gotischen Haus in Leutkirch läuft dann noch bis 6. August.
Klassische Ausstellungsräume in Kißlegg
Den Unterschied machen die so gänzlich verschiedenen räumlichen Gegebenheiten aus. Beide Orte zählen sicher zu den, auf jeweils ihre Art, spektakulärsten Ausstellungsräumen, die das württembergische Allgäu zu bieten hat. Die Kißlegger Räume wurden mit großem Einfühlungsvermögen eigens für die Präsentation zeitgenössischer Kunst konzipiert und gebaut. Sie würden genauso auch in München oder Berlin Eindruck machen. Indirekt fließt das natürliche Licht an den großen weißen Wänden in die Räume. Die sind deutlich dem Prinzip des weißen Würfels („white cube“) verpflichtet als dem idealen, weil möglichst neutralen Ausstellungsraum für moderne Kunst. Hier werden in streng klassischer, aber gleichzeitig sehr großzügiger Hängung 83 Arbeiten von Heiko Herrmann präsentiert, darunter auch viele großformatige Gemälde.
Inszenierung in historischen Räumen in Leutkirch
Ganz anders die Situation im Gotischen Haus. Bei der Sanierung wurden die beiden heute für Ausstellungen genutzten Geschosse bewusst sozusagen in einem Rohzustand belassen, der die Lebensspuren aus über fünf Jahrhunderten bewahrt. Bohlenwände, malerische Reste von Putz, ja selbst alte Tapeten geben den Räumen einen starken Eigencharakter. Hier haben die Ausstellungsmacher konsequenterweise die Zwiesprache zwischen Heiko Herrmanns Arbeiten und den unterschiedlichen Räumen regelrecht inszeniert. Die Einzelwerke bekommen sehr viel Raum. Manchmal leistet man sich sogar den Luxus, in einem Raum nur ein einziges Kunstwerk zu präsentieren. Besonders beeindruckt zum Beispiel die Stube mit der gerade mal 40 Zentimeter hohen, glänzend glasierten Keramik „Roter Kopf“.
Die Arbeitsweise des Künstlers
Bei der Eröffnung in Leutkirch gewährte Heiko Herrmann im Gespräch mit Otto Schöllhorn vom Galeriekreis interessante Einblicke in seine Arbeitsweise, die er mit dem Feuermachen verglich. Erst bringe er das „Gerümpel“, also die Farbe, spontan auf die Leinwand, dann greife er ordnend ein, schaffe Formen und Strukturen, die er dann aber oft wiederholt übermale. Wenn ein Werk etwas abstrahlen könne, sei es schließlich fertig, zünde gewissermaßen. Es erhalte dann seinen Titel, der aber in der Regel nicht viel erklärt. Dann ist der Betrachter gefragt, denn ohne diesen gibt’s keine Kunst, so Herrmann Tatsächlich entdeckt man als Besucher Gemälde wie etwa „Große Mutter“ oder „Wiedehopf“, in denen Formen und Strukturen dominieren. Man erkennt Reste von Gegenständen, ohne dass hier freilich eine Geschichte erzählt werden soll. In anderen Arbeiten ist die Malerei an sich das eigentliche Thema. So bestimmen etwa in dem Großformat mit dem schönen Titel „An der Kreuzung von 2 Sonnen und 5 Wegen“ die malerische Aktion und die Spuren wiederholter Übermalungen den Gesamteindruck. Heiko Herrmanns Vorgehensweise bedingt natürlich auch die häufig gebrochene Farbigkeit der Gemälde. Reine Farben sind eher selten.
Von München in die Oberpfalz
Heiko Herrmann, der 1953 in Schrobenhausen geboren wurde, hat an der Münchner Kunstakademie studiert. In den siebziger Jahren gehörte er zusammen mit u.a. Heimrad Prem und Helmut Sturm zur Münchner Künstlergruppe „Kollektiv Herzogstraße“. Rege politische Diskussionen und gemeinsames Arbeiten im Kollektiv passten damals in die Zeit. Seit 1991 arbeitet der Künstler vor allem in einem Dorf in der oberpfälzischen Provinz. Seither beschäftigt er sich auch mit Plastik. Zunächst entstand, quasi als Zwischenstufe zwischen Malerei und Plastik, Keramik, die er bemalte und von der die Ausstellungen einige wenige schöne Beispiele zeigen.
Eisengüsse in verlorener Form
Seit 2006 entstehen nun kleine Skulpturen in Eisenguss. Hier geht der Künstler tatsächlich von Gerümpel aus, konkret: von Verpackungsmaterial wie Wellpappe und vor allem Styropor. Daraus montiert er die Gussformen, die in dem archaischen Verfahren der verlorenen Form mit Schamott ummantelt werden und schließlich quasi verdampfen. So entstehen Arbeiten, die einen ganz anderen Ton anschlagen als die Gemälde. Das hat zunächst mit dem einheitlichen Rostrot des Materials zu tun, das zudem eine schöne samtige Oberfläche aufweist. Auch meint man in den Eisengüssen, die den zweiten Schwerpunkt der beiden Ausstellungen ausmachen, geradezu klassische Konstellationen der europäischen Bildhauertradition zu erkennen. Die stehenden, sitzenden und liegenden Figuren und Figurengruppen scheinen über Künstler wie etwa Henry Moore zurück bis in die Antike zu verweisen. Das Nebeneinander von Heiko Herrmanns energiestrotzenden Gemälden mit den stilleren, fast schon klassischen Skulpturen des Künstlers – und beides präsentiert in so außergewöhnlichen Räumen – macht den besonderen Reiz des diesjährigen „Leutkirch-Kißlegger Kunstduetts“ aus. Bei der Eröffnung der Leutkircher Ausstellung bedankte sich Heiko Herrmann vor allem bei Wolfgang Huber. Wie ein unermüdlicher Prinz Eisenherz habe dieser als Initiator und Ermöglicher maßgeblich zum Gelingen dieses rundum überzeugenden Ausstellungsprojekts beigetragen.
Text: Herbert Eichhorn


















